Körperbemalung ist Kunst, also auch ein kunsttherapeutisches Tool?
Der Prozess beginnt. Deine Haut ist das unbeschriebene Blatt, bereit, eine Geschichte zu erzählen. Du schließt die Augen und lauscht den leisen Klängen meditativer Musik, die den Raum durchströmt.
Mit einem weichen Pinsel, der fast wie eine Feder über Deine Haut gleitet, setzt Du die ersten Striche. Jede Berührung ist sanft und nährend, eine liebevolle Hinwendung zu Deinem Körper. So als würde jeder Pinselstrich sagen „ich sehe Dich, ich schätze Dich“.
Die Farbe hinterlässt zarte Spuren, die sich langsam zu Mustern und Formen verweben. Keines dieser Muster hast Du Dir zuvor ausgedacht. Und Dir wird immer klarer, dass es darum auch nicht geht. Jeder Pinselstrich auf Deiner Haut, zieht Dich weiter hinein: In den Kontakt zu Dir und Deinen Seelen-Schätzen, von denen Du 20 Minuten zuvor noch gar nichts wusstest.
Es ist ein Tanz aus Farben und Berührungen, eine stille Kommunikation zwischen deinem inneren Selbst und der äußeren Welt.
Die Farben, die Du wählst, sprechen ihre eigene Sprache. Das leuchtende Blau erinnert dich an die Tiefe des Ozeans, das Dir hüllend und beruhigend sagt „ich bin da, Du bist hier sicher“, das warme Rot an die Glut des Feuers, das Du in Dir spürst wenn Freude, Begeisterung und Leidenschaft in Dir aufsteigen, das erdige Braun, an die Beständigkeit der Erde auf der Du stehst; auch jetzt gerade spendet sie Dir bedingungsloses Gehalten-Sein und Erdung. Das satte Braun lässt es Dich tiefer erleben.
Du spürst, wie jede Farbe ihre eigene Energie auf Deiner Haut hinterlässt, Dich umhüllt und Deine Sinne weckt. Erinnerungen weckt. Erinnerungen daran, wer Du wirklich bist, wenn alle Zweifel und Bewertungen tief in die Erde sinken, wie ein Schleier, der endlich klare Sicht zulässt auf Deine wahre Kraft.
Heute erwartet Dich ein ganz besonderer Blog Artikel. Ich möchte mit Dir über die transformative Wirkung von Körperbemalung, also Body Art, sprechen.
Aber nicht allein. Im Zuge unseres gemeinsamen Workshops, der am 24.08. stattfinden wird, habe ich die Body Art Expertin und Kunsttherapie-Kollegin Yulia Ezhova eingeladen.
In diesem Artikel erzählt uns Yulia, was Body Art ist, wie es in der Kunsttherapie (und in anderen Kontexten) funktioniert,
und natürlich auch, woher ihre Faszination stammt und wie sie zur Body Art gefunden hat.
Viel Spaß beim Lesen des Artikels: Body Art Körperbemalung als Kunst – ein transfortativer Malprozess auf dem eigenen Körper
In der therapeutischen und präventiven Arbeit wird Körperbemalung oft unterschätzt und häufig nur mit Kinderschminken oder Festival-Kunst assoziiert. Doch die wahre Kraft der Körperbemalung bleibt vielen verborgen. Diese Methode kann tiefe innere Prozesse auslösen und unterstützt in zahlreichen therapeutischen Kontexten.
Ein Pionierprojekt: Das Body Art Therapy Project
Durch die wachsende Unterstützung von Fachkräften, die Körperfarbe für innere Prozesse nutzen, beginnt sich das Bild der Körperbemalung im therapeutischen Kontext zu wandeln.
Doch der Weg ist noch lang, und ich freue mich darauf, ihn gemeinsam mit euch zu gehen – durch Kooperationen, Vernetzung, Workshops und Lehre.
Mein Weg zur Körperbemalung als Kunst – und in der Therapie
Diese Reise begann für mich in Havanna. Während meiner kunsttherapeutischen Arbeit mit krebskranken Kindern in einer dortigen Klinik nutzte ich Theaterschminke, die ich zufällig mitgenommen hatte. Obwohl ich fast am Ende meines Kunsttherapiestudiums war, hatte ich bis dahin nichts über die therapeutischen Möglichkeiten von Körperfarbe gelernt. Schnell wurde klar, dass die Körperfarbe über Spiel und Unterhaltung hinausgeht und tiefgreifende Effekte haben kann.
Zurück in Deutschland schrieb ich meine Masterarbeit über die Verwendung von Körperfarbe in der Kunsttherapie mit krebskranken Kindern. Dabei erkannte ich, dass diese Methode auch bei anderen Zielgruppen vielseitig einsetzbar ist – zur Förderung der Körperwahrnehmung, Selbstwirksamkeit, des Selbstbewusstseins, der Beziehungsgestaltung, Identität und Entspannung.
Interdisziplinäre Anwendung von Körperbemalung und Kunsttherapie
Körperfarbe kann spielerisch als Ergänzung und Transformation beliebiger Ansätze und Methoden angewendet werden. Dies kann durch Selbstbemalung, als Kontakt zu sich selbst, oder durch gegenseitige Bemalung im Gesicht oder an den Händen zum Kontaktaufbau oder zur Stärkung geschehen.
Gemeinsam bieten wir Frauen die Möglichkeit, durch eine Kakaozeremonie und eine Imaginationsreise ihre Ressourcen zu entdecken und diese auf ihren Körper zu übertragen.
Durch die Visualisierung und Verkörperung der Ressourcen wird eine tiefe Verbindung zu den eigenen Stärken geschaffen. Fotos und Reflexionen ermöglichen es, diese Ressourcen nachhaltig im Alltag zu integrieren.
Aktueller Forschungsstand zu Körperbemalung als Kunst und praktische Anwendungen in der Therapie
Wissenschaftliche Beweise für die Wirkung der Körperbemalung gibt es zurzeit noch nicht, doch Forschungsergebnisse aus verwandten Bereichen liefern überzeugende Hinweise auf positive Effekte durch die Kunst der Körperbemalung.
Berührung ist essenziell für unser Überleben, den Aufbau von Beziehungen und die Wahrnehmung unseres Körpers. Diese Verbindung kann besonders gut bei der Körperbemalung genutzt werden. Durch die Kombination von taktilen und visuellen Eindrücken, die durch Berührung und Farbe entstehen, können innere Prozesse auf natürliche, kreative und spielerische Weise angeregt werden.
Ein einzigartiger Ansatz ist die Body Art Therapy von Svetlana Kyun. Hier geht es darum, über Körper- und Gesichtsempfindungen und entsprechende Masken innere Anteile sichtbar zu machen und mit ihnen in Kontakt zu treten. Dieser Prozess ermöglicht es, innere Anteile anzunehmen, zu verhandeln, umzuwandeln oder zu verabschieden.
Frauenkreis „The Art of Self Love“ Körperbemalung als künstlerische Selbsterfahrung & Kakaozeremonie (Zwischeneinschub von Vanessa)
Wir laden euch herzlich ein zu unserem besonderen Event „The Art of Self Love“ am 24.08. von 10 bis 15:30 in Wetter an der Ruhr. In diesem Frauenkreis, der von mir und meiner Co-Autorin Yulia Ezhova geleitet wird, werden wir die Kraft der Körperbemalung und einer Kakaozeremonie nutzen, um eure Verbindung zu eurem Körper zu stärken und in eine liebevolle Selbstbegegnung zu kommen.
Dieses Event richtet sich an Frauen, die ihre eigenen Ressourcen stärken und eine tiefere Verbindung zu sich selbst aufbauen möchten. Durch die Körperbemalung werdet ihr eure inneren Prozesse sichtbar machen und transformieren. Die Kakaozeremonie wird euch dabei unterstützen, euch zu öffnen und eine besondere Atmosphäre der Achtsamkeit und Verbundenheit zu schaffen. Die Farbe die wir nutzen werden ist komplett frei von Schadstoffen und kann daher auch von Schwangeren genutzt werden. Das Event kannst Du auch gut nutzen um die Verbindung zu Deinem Körper, und die Verbindung zum Baby zu stärken, wenn Du gerade ein Kind erwartest.
Zukunftsperspektiven der Körperbemalung
Körperbemalung hat ein enormes Potenzial in den unterschiedlichsten Fachbereichen. In unserer modernen, digitalen und beschleunigten Gesellschaft wächst das Bedürfnis nach achtsamer Begegnung und Verbindung mit dem eigenen Körper, der eigenen Identität und der Natur. Körperbemalung bietet genau diese Möglichkeit – eine Rückbesinnung auf unsere archaischen Wurzeln und eine tiefe, kreative Selbsterfahrung.
Erfahrt mehr über das Body Art Therapy Project, Yulias Veranstaltungen, Fortbildungsseminare und Einzelangebote auf Yulias Website. Lasst uns gemeinsam die heilende Kraft der Körperbemalung entdecken und weitertragen.
Meine Gedanken zum Thema Körperbemalung in der Kunsttherapie
Ich danke Dir von Herzen, liebe Yulia, dass Du Dir die Zeit genommen hast um an diesem Beitrag mitzuwirken.
Wer Yulia noch nicht kennt und noch mehr aus der Praxis erfahren möchte, die Kunst der Körperbemalung als therapeutisches-, oder Coaching-Tool anzuwenden,
kann gerne mal in dieses Instagram Live schauen, das wir bereits vor zwei Jahren aufgenommen haben:
Im Live erzählt Yulia auch, warum Du am besten keine normale Aquarellfarben, oder auch Karnevalsschminke aus der Drogerie verwenden solltest. Die Farbe die ich im Live verwende ist rein pflanzlich.
Zusammenfassend möchte ich hier noch mal meine ganz eigenen Gedanken zum Thema Körperbemalung und Kunsttherapie teilen:
Ich glaube, dass die Kunst der Körperbemalung ein wundervolles Tool ist, das nicht nur gedanklich, sondern ganz real den Körper mit einbezieht. Wer mich kennt, weiß, dass ich den Körperbezug als einen der wichtigsten Grundpfeiler für die Kunsttherapie empfinde.
In Kombination mit Foto-Kunsttherapie kann man Körperbemalung zu einer wahren Power-Methode machen.
Allerdings braucht Körperbemalung das richtige Setting und einen geeigneten Zeitrahmen
Auf den ersten Blick scheint sie unpraktikabel in einem normalen Therapie Setting (zumindest im angestellten Verhältnis), da sie eher aufwendig umsetzbar zu sein scheint, und eine Menge Zeit in Anspruch nimmt:
- Zeit fürs Ankommen
- Für eine meditative Reise IN den Körper
- Zeit, mit dem eigenen Körper ins Spüren zu kommen, bevor man beginnt zu malen;
- Die anschließende Reflexion benötigt
- ggf. das Fotografieren
- das sich-wieder- lösen und das Abwaschen und Loslassen der Malerei, und damit auch des Prozesses
- was in meinen Augen wieder einen abrundenden Abschluss benötigt.
Vorteile sind, dass nichts extra aufgebaut werden muss. Das Material auf dem gemalt wird bringt jede*r bereits mit: Den eigenen Körper. Ein kleiner Farbkasten kann auch an ein Krankenhausbett mitgenommen werden.
Wie die Körperbemalung praktikabel auch in Einzelsettings angewendet werden kann, lehrt Yulia in ihren Fortbildungen.
Denn im Einzelsetting, und auch in Gruppen gibt es viele verschiedene Varianten und Möglichkeiten die Methode anzuwenden. Auch einige mit kürzerem Zeitrahmen.
Das direkte Loslassen des Prozesses ist in meinen Augen interessant und im Vergleich zu anderen Methoden etwas ganz besonderes.
So, wie viele Menschen das achtsame Duschen als Tool nutzen, um zB den Tag loszulassen oder negative Gedanken,
so ist das Abwaschen der Farbe auch ein bewusstes Gehen Lassen von allem, was einem im Prozess begegnet ist.
Gleichzeitig ist es ein Verankern, von allem, was innerlich mitgenommen werden will. Ich kann sozusagen abwaschen, was ich nicht mehr brauche: Den äußerlichen „Beweis“ für das, was ich in mir verankert habe.
Triggerwarnung, SSV:
Ein Therapie-Kontext bei dem ich mir Körperbemalung sehr gut vorstellen kann ist Borderline mit selbstverletzendem Verhalten
Bei selbstverletzendem Verhalten gilt das bemalen des Körpers schon lange als sogenannter Skill, um das schädliche Verhalten zu ersetzen.
Betroffenen wird empfohlen an die Körperstellen, die ansonsten verletzt werden würden eine Art Kraft- oder Ressourcensymbol zu malen. Ähnlich wie wir es im Workshop auch machen. Dies kann zB das Lieblingstier sein.
Hintergrund von diesem Skill ist die Vereinbarung, dass das Gemalte nicht verletzt werden darf.
Ich bin aber überzeugt, dass in einem echten, begleiteten Raum von Körperbemalung als Kunsttherapie noch viel mehr passieren kann als das.
Manche betroffenen malen auch rote Farbe an besagte Stellen, sozusagen als Substitut. Ich glaube, dass dieses Malen der roten Farbe auch in einen intuitiven Malprozess verwandelt werden kann.
Es wird sich dann plötzlich innig um das Gestalten eines Bildes gekümmert, das fast schon liebevoll auf die Haut aufgetragen wird. Der Kopf ist also mit etwas komplett gegenteiligem beschäftigt, was aber dennoch den eigenen Körper betrifft. Sogar die selbe Körperstelle.
Hierzu möchte ich am Rande erwähnen, dass diese Art von Skill viele Betroffene ohnehin nutzen. Oft unbewusst, bzw aus ihrer klugen Intuition heraus. Malen ist eben auch ein Outlet von Emotionen und „innerem Druck“.
Noch weiter am Rande, ohne zu sehr in die Tiefe zu gehen: Tattoos als Kunstform der Körperbemalung
sind im weitesten Sinne eine Art von Selbstverletzung,-
aber künstlerisch transformiert. Es gibt sogar Tattookunst als eine Therapie (Erweiterung von Kunsttherapie).
Außerdem gibt es tatsächlich einige Menschen, die von SSV betroffen sind, und ihren Verletzungen tatsächlich eine ästhetische Form geben. Da ich als Kunsttherapeutin in allem auch die RESSOURCE sehe (in diesem Fall Kreativität), sehe ich definitiv eine Chance, das schädliche Verhalten durch Körperbemalungsprozesse in etwas positives zu verwandeln. Am Ende ganz ohne Schmerzen, was übrig bleibt ist ein kreativer Outlet und die gesunde (und gesundende) Aktivierung der Gestaltkräfte und der Selbstwirksamkeit.
Wie siehst Du das?
Hast Du Gedanken zum Thema, oder sogar Erfahrungen mit Körperbemalung in therapeutischen Kontexten, oder zu einem anderen der besprochenen Themen?
Wir freuen uns immer über einen Kommentar.