Das Seelengefäß

Ich habe mich oft versteckt. Als zweit-älteste unter vier Geschwistern, hochsensibel und als Kind eher introvertiert. Es gab nicht viel Raum. Dieses Gefühl hat sich ganz lange als ein Muster durch mein Leben gezogen und hatte später zur Folge, dass ich mich oft nicht gesehen – und verstanden fühlte.

Meine erste kunsttherapeutische Selbsterfahrung mit Ton hatte ich im Kunsttherapie Studium. Ich kann mich noch ganz genau an einen Moment erinnern: Ich war allein im Atelier. Ich arbeitete an einer Aufgabenstellung eine Ton-Form entstehen zu lassen, die das Thema „Raumpräsenz“ hatte. Die Tonplastik wuchs und wuchs, bis ich plötzlich den inneren Drang hatte sie auszuhöhlen. Ich nahm ihr immer weiter die Substanz, bis ich schließlich vor der Plastik zusammenbrach.

In diesem Moment betrat mein Kunsttherapie Professor den Raum. „Darf ich Ihnen helfen?“

Nach und nach füllte ich den entstandenen Schlund wieder an, während mir der Kunsttherapeut verständnisvoll und herzlich den Raum hielt. Es fühlte sich an wie ein Verarzten von uralten Wunden. Mit dem achtsamen und liebevollen Auffüllen des Lochs begann ich zugleich den Innenraum der Form bewusst zu tasten und zu spüren.

Am Ende stand tatsächlich eine raumpräsente Form vor mir, mit einer sanften Einhöhlung, die anmutete wie ein wohliger Innenraum, statt eines tiefen Abgrundes.

Danach folgten viele Gefäße in denen ich meinen Innenraum liebevoll und bewusst spüren durfte. Aber für diesen einen Moment, den ich Dir da gerade beschreiben durfte, bin und bleibe ich mein Leben lang dankbar. Sowohl für den Schmerz, als auch dafür, dass ich ihn im richtigen Moment fühlen durfte und mutig genug war Hilfe anzunehmen.